Erst am nächsten Morgen sehe ich, wie schön es hier eigentlich ist. Schon hier "unten" ist die Aussicht grandios doch auch bei Tag ist hier nicht viel mehr los als bei Nacht. Um halb 6 mache ich mich auf zum Ticketoffice, das man nach costaricanischer Tradition auch nur findet, wenn man weiß wo es ist. Ich erkenne es nur, weil davor ein Mann im Schlafsack pennt und sich gerade den Schlaf aus den Augen wischt. Die Tickets scheinen heiß begehrt zu sein. Um halb 7 macht das Office auf und mit mir treten 5 weitere Wanderlustige ein. Als ich an der Reihe bin erkläre ich erst mal meine Situation und erbitte zwei Tickets für Carmen und mich. Aber keine Chance - Carmen muss vor Ort sein, um ihr Ticket zu kaufen. Nach einigem Einsatz weiblichem Charmes bekomme ich schließlich mein Ticket und eine unsichere Zusage, dass sich da mit meiner Freundin schon irgendwas machen lässt. Als Carmen 4 Stunden später in mein Hostelzimmer stürmt, freuen wir uns als wären wir schon auf dem Gipfel, dass es mit den Tickets so gut geklappt hat. Später treffen wir noch andere Backpacker, die uns enttäuscht erzählen, dass sie um 7 schon keine Tickets bekommen haben. Jaja bis dahin verlief also alles gut.
Doch schon weitere 8 Stunden später wünsche ich mir das Ticket nicht gekauft zu haben.
Für den anstrengenden Trip am nächsten Morgen meine ich doch am Vorabend noch einmal richtig gut essen zu müssen und zusätzliche ein paar Proteine zu mir zu nehmen. Da kann man als ("halber" für Scarlett) Vegetarier schon ma ein Auge zudrücken und so schaufle ich eine riesen Portion Nudeln mit Hühnchen in mich hinein. Leider besitze ich wohl nicht die nötigen Enzyme für das Fleisch hier und verbringe so die ganze Nacht auf der Toilette. Ich mache kein Auge zu vor Bauschmerzen und bin am nächsten Morgen total zittrig. Naja aber wer mich kennt weiß, wie dickköpfig ich in solchen Situationen sein kann und so wird der Wanderstock gepackt und los geht es.
Über Stock und Stein geht es fast kontinuierlich bergauf; sehr anstrengend; Wasserstelle und Hütte bei Kilometer 7; ausruhen, aber nichts runter bekommen; das restliche Hühnchen im Busch lassen, meine Bambusstock wird mein bester Freund und Kilometer 13 ist härteste.
Kurz und knapp: ich habe keine Ahnung wie, aber wir schaffen es letztenendes in 7,5h hinauf. Die letzten Kilometer muss ich immer wieder an Oma Broni denken ... 1,2,3 1,2,3, hoppsalala ... ein Schritt vor den anderen und lieber die letzten Stunden vergessen. Wie sehr würde ihr die Natur dort oben gefallen: Kolibris, Gekos und ein Farbenmeer aus Grau von der Asche von verbrannten Bäume, sattem Grün, Rot, Braun, Weiß der Wolken und Blau des Himmels - es fühlt sich für uns so an, als wären wir schon auf dem Gipfel, so glücklich sind wir, endlich oben bei der Hütte zu sein.
Doch mit dem zur Ruhe kommen, werden auch die Schmerzen größer und ich verkrieche mich nach einer gebirgsquellkalten Dusche den Rest des Tages in mein Bett. Leider geht es mir von Stunde zu Stunde schlechter; Schüttelfrost und starke Bauschmerzen und an Essen ist noch immer nicht zu denken. Alle kümmern sich rührend; vor allem Carmen setzt alle Hebel in Bewegung und leiert dem Hüttenwirt Medikamente, zwei Decken und eine Flasche gefüllt mir heißem Wasser als Wärmflasche aus dem Ärmel. Spät abends bleibt das Essen dann schließlich endlich in meinem Magen und ich kann ein paar nackte Nudeln essen. Es wird immer kälter und so kuscheln wir uns nachts zusammen in ein Bett.
Um 2 Uhr klingelt der Wecker und der Gipfel ruft. Doch nach drei Löffeln Müsli und einer Runde durch die stockfinsteren und eiskalten Schlafsäle (Licht gibt es nur ein paar Stunden am Abend) ruft für mich nur noch das Bett. Grün und Blau ärgere ich mich, als Carmen mit einer anderen Deutschen auf die letzten 5 km zum Gipfel aufbricht und ich nicht mit kann. Da habe ich es so weit geschafft und werde nicht mit der erwarteten Aussicht auf die zwei Ozeane belohnt. Eine Frechheit, wenn man sich in solchen Momenten nicht auf seinen Körper verlassen kann. Also lege ich mich wieder Schlafen, um noch etwas Energie für den Abstieg zu sammeln. Zwischendurch spiele ich mit dem Gedanken mir so einen ollen Gaul zu mieten, um mich da irgendwie wieder runter zu bekommen, doch als es gegen 10 Uhr wieder bergab geht, scheint sich mein Magen wieder etwas beruhigt zu haben und ich verwerfe die Idee schnell.
Um mir den Abstieg nicht zu leicht zu machen, habe ich allersings plötzlich ganz seltsame Brustschmerzen, die mich kaum Atmen lassen. Noch nie in meinem Leben hatte ich Probleme mit der Luft und diese plötzliche Atemnot bringt mich völlig aus der Bahn, da ich sowas überhaupt nicht von meinem Körper kenne. Also immer schön Päusschen machen, damit ich nicht umkippe und so brauchen wir dann doch auch 7 Stunden für den Abstieg. Auf dem Weg nach unten bin ich heilfroh mich nicht auf den Gipfel gequält zu haben. Ich glaube das hätte ich sonst nicht gepackt. Und weil dem ganzen Trara nicht genug ist, fängt es auf den letzten 5 km auch noch an zu regnen. Aber nicht so ein Getröpfel oder so - ein costaricanischer Monsumregen der innerhalb von 15min. Bäche zwischen unseren Füßen bildet. Das feuchte Nass treibt uns an und so kommen wir schließlich völlig erschöpft und nass bis auf die Knochen unten an. Die Füße zitternd lassen wir uns erst einmal eine heiße Dusche auf den Rücken prasseln und machen uns einen heißen Tee.
Wir entspannen den restlichen Abend und Morgen in diesem schönen Hostel und genießen nochmal die Stille und Schönheit der Berge, bevor es montagmorgens wieder zurück nach Hause geht.
Alles in allem war es ein wirklich schöner Trip, den ich leider nicht so genießen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich würde es jedem empfehlen und ich beiß mir bis heute in den Hintern, dass ich nicht ganz auf dem Gipfel war!! Ich danke Carmen dafür, dass sie sich so liebevoll um mich gekümmert hat und so eine Geduld mit mir hatte :-)
endlich oben angekommen; das ist die Hütte, in der man eine Nacht unterkommen kann |
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